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(Aus Werner May: Steilvorlage - für den Mann mit Stirnfalte, IGNIS: Kitzingen 2008; S.42f)
Hy, ich bin EinMann.
Ja, richtig gehört, ich bin ein Mann. denken, Träume träumen, Mann- Der Name steht für meine an-
Einer von vielen, einer von Milliar- sein, wie nur ich es kann, niemand sprechbare Einzigartigkeit , für
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den Männern. Wenn ich mich so anders! Ich bin einzigartig. mich als Person, als Persönlichkeit.
anschaue inmitten all der vor mir Oder täusche ich mich doch? Nun diese Einzigartigkeit zu finden,
Lebenden und der jetzt und nach Manchmal erwische ich mich, wie hat natürlich einen gewissen Reiz
mir Lebenden, was bin ich dann meine scheinbare Einzigartigkeit und Attraktivität, liegt aber doch
schon? Ein Wassertropfen in einem sich mehr als typisch entpuppt, recht nahe bei einem mehr intellek-
weiten Meer, - aber doch ein Was- typisch für mein Alter, für meine tuellen oder spirituellen Egotrip .
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sertropfen, ohne den das Meer nicht Nationalität, für mein Geschlecht,
wäre. Da mache ich mir nichts vor, für meinen Berufsstand, usw. Viele Lasst es mich auf den Punkt brin-
die paar hundert Menschen, die meiner Einzigartigkeiten teile ich gen, schließlich bin ich ja der Ein-
mich zurzeit kennen, lassen sich mit anderen, merke es nur meistens Mann: Mein Geheimnis liegt in
in fünfzig Jahren an zehn Fingern nicht. Was bleibt dann noch übrig? dem Einzigartigsein und -werden
abzählen und in hundert Jahren Vielleicht bin ich nicht mehr als die für andere, weil ich ihren Ruf höre.
spricht keiner mehr von mir. Das ist einzigartige Kombination all dieser Nur aus diesem Antworten heraus
so, das ist jetzt kein Gejammere. Gemeinsamkeiten? bin ich wirklich Ich. Die selbstlo-
Diese Sichtweise hat auch etwas se Hingabe ist es, die mich mich
Entspannendes: Ich bin nämlich Da muss es doch etwas anderes ge- zutiefst finden lässt, letztlich nicht
nicht der Nabel der Welt. Ich muss ben. Wie steht es damit? angestrebt, sondern als Geschenk:
mir keinen Stress machen, dass die Wer sein Leben verliert, wird es ge-
Zukunft dieser Erde von mir ab- Ich bin Ich, als ein Gedanke Gottes, winnen .
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hängt, oder die Zukunft der Kir- mit einem Namen. Gott hat mich bei meinem Namen
che. Das setzt mich frei, nicht zu gerufen. Meine Einzigartigkeit be-
vergessen, meine Erdentage auch zu steht darin, diesen Ruf zu hören, da-
genießen. rauf zu reagieren und mit meinem
Irgendwie ist es doch schön, einer Leben in der Hingabe zu antwor-
von vielen zu sein, das heißt ja auch, ten. Dabei bleibt Gott an meiner
mein bescheidener Beitrag wird Seite. Und übrigens, dieser gemein-
durch Millionen ähnlich beschei- same Weg führt in die „Ewigkeit“.
dener Beiträge ergänzt, ja, und das Der ewige EinMann
kann dann schon mal zusammen
eine Überschwemmung ergeben.
1 Zumindest laut Internetsuchmaschinen ist mein
Aber die Silbe „ein“ steckt auch in Autor, Werner Georg May, zurzeit wirklich einzig-
artig!
„einzigartig“. Kein Wassertropfen ist 2 Genauso reizvoll ist es in der Masse aufzugehen,
mit einem anderen völlig identisch. im WM-Taumel ein Herz und eine Seele zu sein.
Das ist nicht so anstrengend wie sich mit lauter
So bin auch ich einzigartig. Wenn Individualisten auseinander setzen zu müssen.
es mich nicht gäbe, dann würde ein 3 Hier kann nicht getrickst werden: Sein Leben
Stück Farbe auf dieser Erde fehlen! nur zu verlieren, um es zu gewinnen, das funk-
tioniert nicht. Nicht dieser Gewinn ist das Ziel,
Ich kann Dinge tun, Gedanken sondern die Frucht der Hingabe für den anderen.
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